Ali As - Euphoria (2016) Review

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"Ali As - Highlight des Spät-Programms
Ich bin der, der nach der Show regiert, wie Hero-Junks"

Ali As - Euphoria

Die Karriere des Münchener Rappers Ali As hätte, sich sowieso im Spätherbst befindend, unspektakulär und gediegen ausklingen können, ohne dass allzuviele Menschen davon Notiz nähmen. Jahrelang lief der mittlerweile 36-jährige unter dem Radar der breiten Hörerschaft und konnte lediglich durch amüsante Feature-Parts von sich Reden machen. Doch dann änderte sich etwas, das dafür sorgte, dass er Teil des kollektiven Hörergedächtnisses wurde, Teil derjenigen die lange Promophasen und vielgeklickte Youtube-Videos vorweisen können.

Sein Anfang 2015 veröffentliches "Amnesia" samt EP überzeugte allerortens durch erfrischend vielseitige Produktionen des aufstrebenden Produzentenduos David x Eli, ein reichhaltiges Themenspektrum und viel Wortwitz. Mit annährend gleicher Aufstellung schmuggelt er nun "Euphoria" ins Land der Bürokratie. Versetzt das neueste Werk den geneigten Hörer abermals in euphorische Zustände oder gibt es am Ende des Tages lange Gesichter wie auf einem Reiterhof?

Zunächst sei gesagt, dass das Album denkbar ungünstig, weil grandios anfängt. Ali baut sich seine eigenen "Denkmäler" aus "Scherben und so" und zeichnet ein musikalisch atmosphärisch untermaltes Bild von der Ungerechtigkeit der verrohten Welt, nur um im zweiten Teil mit der Geschichte seiner Eltern samt treibenden Beatwechsel ungeahnt persönlich zu werden, ohne seine Wortspiele zu vergessen. Flowtechnisch gibt sich das erfahrene Urgestein keine Blöße und unterhält bestens.

"Ich zeige diesen Crews mit flotten Sprüchen, wo es langgeht, wie ein Bootskapitän"

Nach diesem stimmungsvollen Anfang kann der nächste Track nur verlieren, oder?
"Silber oder Gold" kann man wie das spätere "Dope in der Denim" in die Tradition der reinen Punchline-Tracks stellen. Von der Struktur und auch soundmäßig her "Geigenkästen" von Amnesia ähnelnd, werden einem hier mal mehr, mal weniger gute Vergleiche serviert, dazu gibts ansprechende Beats, denen jedoch der letzte Biss fehlt.
Ausflüge in den Chart-Pop-Bereich ("Lass sie tanzen feat. Namika") werden ebenso unternommen wie sidoeske Kinderchöre eingebaut ("Jetzt komm wir"). Während ersterer dank eingängig orientalischem Beat und catchy Hook den anfangs befürchteten Schmalz wegwischen kann, suhlt sich anderer in einer unangehnemen "Peter Heppner trifft Paul Würdig"-Stimmung, deren Text sich zwar recht ansprechend mit der Frage nach dem eigenem Dasein befasst, musikalisch mau präsentiert jedoch keine eigenen Akzente setzen kann.

Auch der "Monstertruck" tuckert recht behäbig durch Münchens Vororte. Vom Sound her hat man sich hier klar an Haftbefehls "Ich rolle mit meim Besten" orientiert, ohne die druckvolle Präsenz des Originals ansatzweise zu erreichen, dazu verkommt die lachhaft abgedroschene Hook schon zu einem echten Ärgernis.

Den Tiefpunkt erreicht Ali jedoch schon relativ früh mit "Was fürn Leben". Die reggaelastige Darbietung kann zu keiner Sekunde mitreißen, nervt spätestens ab Malos müder Reißbrett-Hook so sehr, dass dies wie ein guter Kapitän gewertet werden kann - ein astreiner Skipper.

Das nachfolgende, sehr poetisch betitelte, "Farid Bang" macht anschließend jedoch einigen zuvor verbrannten Boden wieder gut. Der Im Vorfeld stark kritisierte Track überzeugt mit funky inzenierter Produktion und einer ohrwurmartigen Hook. In den selbstsicheren Zeilen, die sich keinesfalls um den launigen Nasenbanger drehen, gibt es von Ali gewohnt routinierte Representerkost auf den Gabentisch geklatscht.

"Was Hater? Ich seh’ in erster Linie nur Bauern als wären sie Schachgegner"

Der Besungene selbst gibt dann freilich auch noch einige Lines zum Besten. Sein extrem kurzer und dümmlicher Vortrag fällt aber unter die Kategorie "Für die Tonne".

Die zweite Hälfte des Albums präsentiert sich dagegen weniger durchwachsen (wie ne Madame-Tussauds-Puppe). Ali packt wieder die Emotionen aus und drückt dem Hörer den Schlüssel zum "Ferienhaus" in die Hand. Der ruhige, fast besinnliche Track handelt von einer verblichenen Liebschaft, der Erzähler erinnert sich an gemeinsame Zeiten, verpasste Chancen. Vor seinem geistigen Auge manifestiert sich der zwischenmenschliche Zerfall in Form eines verlassenen Ferienhauses, der Hort gemeinsamer Träume, die nun nur noch staubige Erinnerungen sind.
An der Umsetzung dieser an sich schönen Idee hapert es jedoch etwas. Da man sich den lustigen Ali als trauernden Liebhaber nur schwer vorstellen kann, fällt es nicht wirlich leicht eine Bindung zu Gehörten aufzubauen und man lauscht den Gedankengängen seltsam unbeeindruckt.

Der Track "Inge" aus dem Vorgängeralbum, welcher sehr melodisch präsentiert den Niedergang eines "Stars" aufzeigte, konnte eine intensivere Stimmung erzeugen.

Nun seis drum, denn es folgt nun etwas, worauf viele gewartet hatten:
Das "Punchline-Bilderbergertreffen". Im Titeltrack laufen Ali As und Gast Kollegah zur Hochform auf und spielen sich die Bälle blendend aufgelegt zu. Beattechnisch gelingt eine wunderbar luftig, leichte, beinahe wolkige Produktion mit sehr gutem Basseinsatz.

"Von Hooters Café direkt zum Flughafen-Gate
Unser Stoff lässt dich fliegen, so wie mit Superman-Cape
Peru-Qualität, wenn ich mich von nun an in Nähe von Losern beweg’
Dann nur in Genf beim Rudern am See
Ich chill’ im Perlmutt-Royce, weil das Business sehr gut läuft
Seit ich Einheiten absetze wie ein Militärflugzeug"

Kollegah selbst lässt sich auch nicht lange bitten.

"Ich kauf’ mir Dodge-Sportcoupés
Und scheiß’ drauf, ob die Kosten sich im Rahmen bewegen wie Hogwarts-Portraits
On top of the game, Kings in allen Breitengraden
Ali As, Kollegah - Todeskombi wie ein Leichenwagen"

Nach dieser überzeugenden Vorstellung geht es auch beim nächsten Song auf hohem Niveau weiter. Der "Comeback Bombtrack" macht seinem Namen alle Ehre. Soundmäßig geht es ordentlich nach Vorne wie ein Brautpaar zum Traualtar und Ali präsentiert sich raptechnisch auf der Höhe...
...nur um in anschließenden "Stempel im Pass" wieder etwas den Faden zu verlieren. Beatmäßig ist's solide, klingt jedoch bekannt, ferner gibts eine MoTrip-Hook, die ausgelutschter ist als ein Pornodrehende. Nicht ansatzweise erreicht dieses Stück die atmosphärische Dichte des letztjährigen "Richtung Lichtung" und ist schnell vergessen.

Das stimmige "1-Mio Psychos", in dem sehr plastisch die hektische Gesellschaft porträtiert wird und der finale, pulsierende Closer "Erpresserbrief" bilden jedoch einen sehr guten Schlusspunkt dieses doch etwas schwankenden Albums.

Ali As macht auch diese Runde Spaß und unterhält mit kluger Wortakrobatik und Vielfalt. Einige Filler sind jedoch vorhanden und man bekommt durchgehend den Eindruck nicht los, dass hier weitaus mehr Potential vorhanden war und er sich in einige unpassenden Ideen verrannt hat. Der Vorgänger war deutlich runder, hier regieren in störender Abwechslung Licht und Schatten. Für das schon angekündigte Nachfolgewerk mit abermals gleichem Produzententeam sollte er sich aber auf seine vorhandenen Stärken konzentrieren, die er in den guten Momenten dieses Albums konsequent souverän ausspielt.

3/5

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