Kaisaschnitt - Digitaler Teufelskreis (2016) Review

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(Antichrist III, insofern nichts Anderes verkündet wird)

Wie bei den vorherigen Teilen seiner superben Untergrund-Trilogie verzichtet Kaisa auch hier auf Promoaktivitäten und haut es zuerst limitiert, nun auch über Amazon und Co. verfügbar unters verschworene Volk. Während der zweite Teil phasenweise trotz hohem textlichen Gewaltgrad sehr in Richtung politische Statements abdriftete und am Ende hin mit Gesangseinlagen im Liedermacherstil manchen Hörer unschlüssig dastehen ließ, wird hier wieder ein ausgewogeneres Menü aufgetischt.
Wie von Kaisa gewohnt suchen die Produktionen teilweise wieder ihresgleichen und setzen sich spielend vom Sound der gegenwärtigen Mainstreamlabels ab.

Anders als das Hirntot-Label, das vor einigen Jahren seinen bis dato markanten Sound etwas verloren hatte und seitdem - trotz aktuell starker HT100 - qualitativ schwankende Veröffentlichungen abliefert, ist auch dieses Album von Kaisa zeitlos im Sounddesign.

Man könnte erneut annehmen, die Zeit sei im positiven Sinn stehengeblieben. Er schafft es, wie kein anderer der Szene, seine Musik auch 2016 noch genauso atmosphärisch und direkt klingen zu lassen wie 10 Jahre zuvor. Das eigentlich Beeindruckende an ihm: Er bleibt seinem Stil bis zuletzt treu.
Vorliegendes Album ist musikalisch vielseitig, mit teils sehr druckvollen Bässen befeuert, melodisch wie knallhart und intensiv zugleich.

Mal wirft er seinen eigenen kritischen Blick auf das aktuelle Weltgeschehen ("Nebel"), mal wird Sozialkritik geübt ("Der Rückkehrer"). Die stimmungsvolle Inszenierung dieser Tracks ist auch bei "Eisregen", das vom düsteren Beat her wie direkt aus 2006 zu stammen scheint, sehr ausgeprägt. Die von Sängerin Didi beigesteuerte Hook ist in bester Kaisa-Songstruktur ausgefallen, eingängig und schwermütig mit glitzernd-unterkühlten Elementen versehen.

"Ganz alleine stehen wir da, Optionen werden immer weniger
Niemals ankommen, immer nur im Kreis drehen, Schleudertrauma - Eisregen"

Natürlich behandelt er auch wieder einige seiner favorisierten Thematiken, wie die des unselig triebgesteuerten Außenseiters ("Bondage Boy"), der rohen Wirklichkeit ("Cyber Samurai") oder das Aufgreifen und gleichzeitige Umwandeln in Gewaltfantasien von bekannten Inhalten, hier TV-Serien ("Tool Time").

Das kurze wie knackige "Wettlauf" zeigt soundmäßig sämtlichen Camps auf, wie man vocalbestückte, fremdländisch klingende Beats mit genug Druck effektiv umsetzen kann.
Ebenfalls erwähnenswert ist der starke Anfang mit dem einnehmend atmosphärischen "Nixx für Pitschkos", das eine elektronisch kalte Brillianz ausstrahlt, dem melodisch harten Titeltrack und dem mit Featuregast Dr. Droste angereicherten unheimlichen und einschneidenden "Hörst du mich", dessen depressiv-manische Produktion sicher auch einem Degenhardt gut gestanden hätte.

"Monster weinen leise und decken sich mit Dornen zu, unten dort im WitchHouse-Keller wo die weißen Kacheln Blut reflektieren so wie es Teufelskreise machen, um die Schmerzen zu beschreiben reichen all die Wörter nicht. Ich rede mit dir, hörst du nicht"

Die Skits tragen klangvolle Namen wie "Landmine","Angst", "Witch Blade" und "Druck" sind aber allesamt eher den Fluss störend und austauschbar. Gerade letzteres fährt den Film der Porno-Produktionen und setzt das dann im vorletzten Song "Witch_House_Connection" recht konsequent um. Dies ist ehrlich gesagt eher unpassend. Herr von Rotenburg feuert zwar einige harte Lines, dennoch hätte man diese Kombination in anderen Tracks besser einsetzen können.
Den Schlusspunkt macht ein Remix des Titeltracks von Shawn West, der zwar ansprechend ausgefallen ist, jedoch die schroffe Dichte des Originals vermissen lässt.

Insgesamt gesehen, gelingt Kaisa auch im dritten Teil ein vorzügliches, brutales und doch an manchen stellen nachdenkliches Release, das sein Geld definitiv wert ist. Guten Untergrund muss man einfach supporten und bei Kaisa hat man stets ein zeitloses Gefühl.

Anspieltipps:

"Nixx für Pitchkos"
"Der Rückkehrer"
"Eisregen"
"Nebel"

4/5 mit Nostalgiebonus

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