Camouflage - Greyscale Review (2015) Re-Up



Vertrautes Comeback im Elektroplateau

Auch in der Musikwelt sind Comebacks nicht immer Grund unbändiger Freuden. So manch heißersehnte Scheibe schwirrt nach kurzer Rotationsdauer nur allzu schnell gen harten Boden der Realität. Wenn die verklärte Nostalgie ihre nebelige Maske fallen lässt und ein ungeschminktes Antlitz seine stumpfen Zähne zu fletschen versucht, obsiegt die verträumte Vergangenheit. Manch Hörer-Band-Beziehung wird durch diesen harten Einschnitt nachhaltig beschädigt.
So weit ist es mit Camouflage, ihres Zeichens Pioniere der deutschen Synthie-Pop-Szene freilich nicht gekommen, obgleich sich ihr achtes Studioalbum "Greyscale" satte 9 Jahre Zeit einverleibte um schlussendlich die malerische Bandbreite empfindsamer Graustufen zu präsentieren. Den musikalischen Werdegang der Band kann man dreiteilen: Da ist zuerst einmal der kometenhafte Aufstieg Ende der 1980er Jahre mit zwei erfolgreichen Veröffentlichungen sowie Nummer-Eins-Platzierung in den USA und die anschließende Selbstfindungsphase mit für Kritikern wie Fans schwer zugänglichen Akustikklängen. Nach kommerziell durchwachsener Rückkehr zu elektronischen Wurzeln wurde zu Ende des zwanzigsten Jahrhunderts mit der 1999 erschienenen, stolzen Electropop-Single "Thief"- dessen einnehmende Qualitäten erst viel später entdeckt und gewürdigt wurden - ein vorübergehend letztes Lebenszeichen vor einer kreativen Kurzpause in die Welt gesandt.

In dieser wurden Neufassungen und ein weiteres Best-Of veröffentlicht, ehe 2003 bis 2006 eine durchaus produktive Phase Einzug hielt, die von wenig Promotion begleitet, trotzalledem treue Käuferschichten fand. Danach wurde es stiller, die Gruppe schwebte in selbstgeschaffenen Astralebenen der Melancholie, doch war nie wirklich weg.

2015 also das Comeback, das so richtig keines ist. Marcus Meyns weiche Stimme, die Demut und Zuversicht gleichermaßen in sich vereint, ertönt und entführt den Hörer in sphärische Synthie-Welten die Produzent und Filmmuskkomponist Heiko Maile malerisch auskleidet. Der Sänger gibt den Fährmann und lenkt das Boot souverän durch elektronisch-sanfte Flüsse, vorbei an sich auftürmenden Klangbildern. Die Produktion gibt sich routiniert international klingend, mit unüberhörbaren Einflüssen von Depeche Mode. Die erste Single und gleichzeitiger Opener "Shine" ist ein nahezu perfekter Pop-Song mit dem richtigen Gespür für Dynamik und melodischen Elementen, das eingängige "Laughing" schließt sich dem hohen Niveau spielend an und gewährt einprägsame Momente. Der Titeltrack hingegen schlägt instrumentale Töne an und erzeugt eine, durch ruhige Flötentöne unterstützte, filmische Atmosphäre. Man wähnt sich in staubtrockenen Wüstenregionen, die glutend-rote Abendsonne legt ihre Strahlen auf karge Felsstrukturen, die Luft ist stickig. Das Individuum im weiten, endlosen Raum. Graustufen der Evolution.

"Count On Me" ist poppig abgestimmt und -schmeckt durch und durch nach Featuregast Heppner, eine astreine Hymne auf die Liebe und Vertrauen. Wenn sich gegen Ende die beiden Urgesteine abwechselnd die Synthie-Bälle zuspielen, sind das die kleinen, magischen Momente die ein solches Gipfeltreffen erschafft.

Beim bedächtigen, von Kreyssig gesungenen "In The Cloud" und besonders bei "Still" bewegt sich das Klanggerüst, begleitet von theatralischen Streichern gefährlich nahe an Gore'schen Pathospfaden vorbei, bekommt im folgenden "Misery" jedoch noch sehr dynamisch die Kurve und schwelgt im luftig-relaxt inszenierten "Leave Your Room Behind" in tiefentspannten Ebenen. Die beiden Ambient-Tracks, "Light Grey" und "Dark Grey" betitelt, schmiegen sich zart an Trackenden an, sind unspektakulär, doch dem Spielfluss nicht beeinträchtigend. Das kräftige "End of Words" verbindet schleppend-druckvolle Synthie-Wellen mit markanter Hook und folgt ansprechend auf das grundsolide, mit allen markanten Zutaten des Genres ausstaffierte "If". Der Schlusspunkt "I'll Find" verkommt mit Überlänge trotz warmen Klängen zu einem etwas zähen Spektakel besonnener Art.

So endet ein einschmeichelndes, wie aufgeräumtes Werk, das keinen Hehl aus seiner Routine macht. Die Altersmilde und Reife der Protagonisten scheint durch jede elektronische Faser, jeden Augenblick des Albums, entschleunigt und wirkt dennoch frisch. Als wären sie nie weg gewesen.

8/10

Kommentare

  1. Schön geschrieben, nur leider mit kleinen, aber existenziellen Fehlern.“In the cloud“ und “Still“ singt Oli und nicht Marcus!

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen