Wolfsheim - Casting Shadows (2003) Review



2003. Deutschland im Casting-Fieber auf der Suche nach DEM Superstar. Was der Anbeginn einer künstlerischen Dunkelheit sein sollte und die schier endlos melkende Maschinerie bis heute ihre Ausgeburten der Talenthöllen höhnisch grinsend ausspuckt, nutzen damals zwei Musiker an anderer Stelle den Augenblick um ihrem Sound neue Nuancen zu verleihen. Die Rede ist von Wolfsheim, Synthie-Pop-Veteranen der ersten Stunde. Unter ihrem Schattenwurf trieben deutlich schönere Blüten in stimmungsvoll nocturnalen Sphären, in denen die Nachtigall schemenhaft in der Ferne flattert.

War die vorangeschickte Single "Kein Zurück" multipel florierend auf dem Markt und eingängig schwermütig im Gehör verankert, finden sich auf dem 11 Songs kompakten Album auch Ausflüge abseits der auf Gesamtlänge durchaus fühlbaren Melancholie. Das zu Anfangs schwere, in seiner Melodik vertiefte "Underneith The Veil" findet in seiner Schlussminute die Leichtigkeit des Seins wieder und liefert pulsierende Beats, die einen dynamischen Ausgang erlauben, ganz im Gegenteil zum mit zarten elektronischen Beigaben veredelten "And I", das sich in einer sinnierend kühlen Mentaloase wiegend dem Hörer annähert.

"Care for You" erlaubt wolkengleiche Synthieteppiche, auf denen Heppners sanftes Organ mühelos brilliert. Die verträumte Produktion setzt sich auch im untypischen, Club-Sound nahen "Wunderbar" fort, zu dessen bouncig-warmen Klängen der fröhlich-naive Text zum reinen Statisten verkommt.

Desöfteren machen sich auch markante Tempowechsel bemerkbar, so geschehen beim dreiteiligen "I Won't Believe". Den Anfang dieses akustischen Trios macht eine gediegene Stimmung, die alsbald von treibenden Tönen abgelöst in ein rockiges Finale mündet. Kurzweil wird hier großgeschrieben.
Das Hauptgericht bleibt freilich die Liebe, die im dreamy "This Is For Love" erst zelebriert und später bei "Find You're Gone" in ihre Einzelteile zerlegt wird. Es ist schade, dass der erste Teil "Find You're Here" nicht auf dem Album zu hören ist. Erst durch einen Kompletthördurchgang ist es möglich, die innere Kälte die der Protagonist auf "Gone" fühlt, selbst zu erfassen. Ein seelisches Relikt, zerbrochene Träume, Distanzierung, Isolation. Fernab aller zwischenmenschlichen Gefühlsregungen wandelt er selbst im Moment des Verlusts scheinbar gleichgültig, ist taub für jegliche Regungen, apathisch, wie auch in Zeiten der zersplitterten Beziehung. Was bleibt ist ein Scherbenhaufen, musikalisch und stimmlich höchst einnehmend präsentiert.

"Everyone Who Casts A Shadow" sowie "Approaching Lightspeed" reihen sich in die Tracklist als durchweg flüssig und gefällig im Soundbild ein, sodass der instrumentale, hypnotisch ausgefallene Closer "In Time" das gerade Gehörte prächtig reflektieren lässt.


 Sicherlich strahlt der puristisch verspielte wie eingängige Sound der 90er Wölfe schlussendlich deutlicher aus der Diskografie heraus als die weichen Synthiesphären des Schattenwurfs, aber gerade dieser entspannende Kontrast, der angenehm wohlig und porenrein in aller Würde präsentiert wird, zeichnet dieses markante Spätwerk aus, nach diesem sich die beiden in ihre persönlichen Schatten zurückzogen, aus deren Welten das Duo vereint seither nie wieder emporgekrochen kam. Eine nie enden wollende Hassliebe.

7/10

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