De/Vision - Rockets & Swords (2012) - Review




Finale Momente durchdringen den feinen Kokon vertrauter Handlungsweisen und stehen vor der tosenden Brandung künftiger Augenblicke. "Rockets & Swords" lässt sich am schimmernden Firmament der langen Discografie De/Vision's als besonders markanter Fixstern betrachten, endete hier doch die langjährige und bewährte Zusammenarbeit auf Albumlänge mit dem Produzentenduo Schumann & Bach. 2014 sollte zwar noch ein weiteres gemeinsames Stück erscheinen, die weitere Albumplanung bestimmten in der Folge jedoch andere. Weg mit den alten Zöpfen also? Die gesicherten Pfade verlassend den Sprung ins smaragdgrüne Dickicht wagen und die Zauberei exotischer Atmosphären auskosten, losgelöst von der Bürde stetig fortlaufender Routinen?

Ganz so drastisch will man es dann doch nicht formulieren, sorgte doch die Mitwirkung beider Toningenieure über Jahre hin für viele magische Erlebnisse im immerwährend schwingenden Sog des Synth-Pop-Strudels mit allen Höhen und Tiefen des Menschseins, akustisch brilliant vertont. Doch kam für Band und Produzenten zunächst schleichend, dann augenscheinlich die Erkenntnis, sich auch zum Wohle der musikalischen Umsetzung weiterzuentwickeln, um im mentalen Kreativlyceum neue Abschnitte zu ergründen.

Das Album ist daher sowohl Abschied, als auch Grundstein für die Zukunft zugleich. Sie rast an den Untätigen vorbei, doch nicht an De/Vision.

"Rockets & Swords" sinniert über die Bipolarität des Lebens, verdeutlicht dies auch in Titelgebung und Artdesign. Schon der Einstieg gestaltet die Vision der Gegensätze im zeitgleich sperrig- wie eleganten Klangbild. Das eckige "Boy Toy" erzeugt mit klauenscharf gesetzten Beatknüppeln eine intime Aura manisch-devoten Spiels, gönnt sich gegen Ende einen ausladenden Trip durch instrumentale Spannungsfelder und setzt einen furiosen ersten Wegpunkt auf der Reise durchs bipolare Plateau. "Superhuman" atmet wie auch das spätere "Bipolar" in jeder akustischen Faser wallende 80ties Sphären mit all ihren grellblitzenden Neonreflexionen, Föhnfrisuren und eingängig drapierten Tastenthemen. Mit süßlich-melodischer Leichtigkeit wird das nostalgisch verzierte Element in die Moderne transportiert, ohne von verrucht wabernden Trockeneis im Klangraum abzusehen.

Mit "Beauty Of Decay" wird die Szenerie in elegisch vertonte Mattfarben getaucht, von einem kraftvoll inszinierten Finale geradezu überrumpelt. "Stargazer" wandelt hingegen in winterlich geschmücktem Ambiente, erklimmt behände schneebedeckte Hügelketten und ist in dieser eisig-glasklaren Tiefenentspannung mit sich selbst eins, während kühler Windhauch dürre Verästelungen umspielt. Die Single "Brotherhood Of Man" polarisiert und begeistert durch enorm markige Basswellen, die in ihrer druckvollen Ausprägung dem Song ein ganz spezielles Aroma verleihen.
Mit schonungsloser, textlicher Härte garniert konfrontiert der Track den Hörer zudem mit ernster Thematik und der Sinnlosigkeit brutalster Handlungen. Die einnehmende Hookline wird in der Folgezeit durch sinnliche Vocals von Gastsängerin Chrystin Fawn zu wohltemperierten Gitarrenspiel harmonisch akurat verstärkt.

In eine ganz andere Kerbe schlägt "Binary Soldier". Alabasterfarbene Ganglabyrinthe bilden das steril polierte Setting für den monotongalanten Marsch der Willenlosen. Das temporeiche Stück wird zudem durch verzerrte Vocoder, wummernde Beatwogen und eine der Thematik angemessen repetetiv stampfende Struktur angereichert.

Das balladeske "I Want To Believe" entschleunigt die rohe Wucht und präsentiert gen Ende eine herrlich sphärische Melodieführung, die mit träumerischer Eleganz den Ruhepol des Albums markiert. "Mystified" erlaubt das elektrisierende Abtauchen in das Bild einer frühmorgendlichen Waldlichtung nach einer regengepeitschten Nacht. Ganz in der Nähe liegt ein kleiner See, still und friedlich. Nur reines Vogelgezwitscher ist zu vernehmen, während am hölzernen Steg ein vereinzeltes Boot leise knarzend im sanften Wellengang schaukelt. In den Untiefen des Gewässers liegt jedoch mehr als es äußerlich den Anschein gibt. Dezent biegen sich Schilfhalme im Luftspiel an der Uferböschung.
Und genau dann entlädt der Song seine aufgestauten Energien in einem pulsierenden Synthfeuerstoß, der den Himmel mit pastellfarbenen Linien verziert. Der Schlusspunkt "Running All Night" verströmt nocturnale Kühle, ein sich stetig steigernder Aufbau sorgt für dynamische Momente inmitten des bläulich funkelnden Scheins des Erdtrabanten. Ein würdiger Abschluss.

"Rockets & Swords" ist ein Novum, vollendet es doch eine erfolgreiche Zusammenarbeit, die Album für Album stets Neues zu entdecken ließ und schafft dennoch Freiraum für Entfaltung und Frische.  Aufbruchsstimmung für Album Nr. "13".

7/10

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